Samstag, August 2, 2025

Einreisefreiheit eingeschränkt: Bundespolizei verhindert Ausreise von Aktivisten zur Konferenz in Mailand

by Julian Schröder

Acht Aktivisten der Identitären Bewegung sind am Münchner Flughafen an der Ausreise nach Italien gehindert worden, um ihre Teilnahme an einer Remigrationskonferenz in Mailand zu verhindern. Die Bundespolizei begründete den Eingriff mit dem Schutz der Bundesrepublik vor „internationalem Ansehensverlust“ und einer möglichen „Radikalisierungsgefahr“. Die Maßnahme wirft erneut Fragen zur Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe in Grundrechte auf – insbesondere im Spannungsfeld zwischen politischer Gesinnung und freiheitlicher Ordnung.

Die Aktion ereignete sich am Donnerstagabend, als sechs Männer und zwei Frauen vor ihrem Abflug von einem größeren Aufgebot der Bundespolizei – nach Augenzeugenberichten zwischen 20 und 30 Beamte, teils mit Maschinenpistolen – in Gewahrsam genommen wurden. Die Betroffenen wurden stundenlang verhört und anschließend mit einem temporären Ausreiseverbot belegt, das speziell für die Dauer der geplanten Konferenz am 18. Mai in Kraft trat. Zusätzlich wurden tägliche Meldeauflagen zwischen 17 und 20 Uhr verhängt, um sicherzustellen, dass keine Umgehung der Maßnahme über andere Routen erfolgt.

Als Begründung führte die zuständige Behörde unter anderem an, dass es sich bei der Mailänder Veranstaltung um ein internationales Vernetzungstreffen von Rechtsextremen handle. Die Teilnehmer könnten laut Beschluss „aktiv für die menschenverachtende Ideologie werben“ und so zur „Radikalisierung weiterer Personen“ beitragen. Auch das internationale Ansehen Deutschlands sei gefährdet, wenn staatliche Stellen nicht gegen die Verbreitung extremistischen Gedankenguts vorgingen. Dass eine der Betroffenen österreichische Staatsbürgerin ist, wurde offenbar nicht als hinderlich erachtet, um auch ihre Einreise in das eigene Herkunftsland faktisch zu blockieren.

Die Entscheidung sorgte innerhalb kürzester Zeit für eine Welle der Kritik – insbesondere im politisch rechten und libertären Spektrum. Dort wird der Vorgang als weiterer Beleg für eine angebliche Aushöhlung der Grundrechte und eine politische Schlagseite der Sicherheitsbehörden gedeutet. Auch juristisch ist die Maßnahme nicht unumstritten. Der Eilantrag gegen das Ausreiseverbot wurde vom Verwaltungsgericht München zwar abgelehnt, allerdings unter Rückgriff auf Formulierungen, die den Standpunkt der Behörden weitgehend übernahmen. Im Urteil hieß es, dass die Bundesrepublik Schaden nehmen könne, „wenn der Eindruck entstünde, es würde nicht versucht, den Neonazismus, insbesondere grenzüberschreitend, zu unterbinden“.

Die Einordnung der Identitären Bewegung als „gesichert rechtsextremistisch“ durch den Verfassungsschutz diente dabei als zentrale Argumentationsgrundlage. Allerdings handelt es sich bei dieser Bewertung nicht um eine gerichtliche Feststellung, sondern um eine politische Einschätzung, deren rechtliche Bindewirkung begrenzt ist. Umso problematischer erscheint daher der Umstand, dass auf Basis solcher Einstufungen mittlerweile tiefgreifende Grundrechtseinschränkungen möglich sind – einschließlich der Beschneidung der innereuropäischen Freizügigkeit, die durch EU-Recht garantiert ist.

Die politische Tragweite des Vorfalls liegt vor allem in seiner Symbolik. Während sich das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit formell intakt zeigt, scheint die Schwelle zur staatlichen Intervention dann überschritten zu werden, wenn Inhalte als ideologisch inakzeptabel gelten. Kritiker werfen den Behörden vor, mit zweierlei Maß zu messen: Während etwa linke Aktivisten in der Regel unbehelligt an internationalen Konferenzen teilnehmen könnten – auch wenn dort der Umsturz bestehender Ordnungen oder etwa antifaschistische Gewaltstrategien thematisiert werden –, greife der Staat gegenüber konservativen oder rechten Akteuren mit größter Härte durch.

Gleichzeitig verdeutlicht der Fall die zunehmende Politisierung staatlicher Institutionen, die sich auf fragwürdige Weise zwischen Neutralitätsgebot und Gesinnungskontrolle bewegen. Er zeigt auch, wie schmal der Grat zwischen legitimer Gefahrenabwehr und repressiver Kontrolle geworden ist – ein Spannungsfeld, das gerade in polarisierten politischen Zeiten zunehmend an Bedeutung gewinnt.

In einem Europa, das auf Bewegungsfreiheit, Dialog und Pluralität gebaut ist, stellt der Münchner Vorfall einen Präzedenzfall dar, der über Parteigrenzen hinweg Fragen aufwirft: Wie weit darf ein demokratischer Staat gehen, wenn er meint, sich selbst vor dem Schaden durch bestimmte Meinungen schützen zu müssen? Und wie belastbar sind Grundrechte wie Freizügigkeit, wenn sie von der ideologischen Verwertbarkeit ihrer Ausübung abhängig gemacht werden?

Die kommenden juristischen Auseinandersetzungen um die Rechtmäßigkeit der Maßnahme werden darüber Aufschluss geben – nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für den politischen Raum in Deutschland insgesamt.

© 1997—2025 widerspruch-news.de. Alle Rechte vorbehalten.          Impressum