Freitag, Juni 6, 2025

Biogeografische Herkunft und Verbrechensaufklärung: Ein umstrittenes Konzept

by Moritz Hartmann

In Baden-Württemberg und Bayern plant man, künftig bei der Aufklärung schwerer Verbrechen, insbesondere Sexualdelikten, auf eine DNA-Analyse zur Ermittlung der „biogeografischen Herkunft“ von Tätern zurückzugreifen. Ein solcher Schritt löst nicht nur Diskussionen über die Effektivität dieser Methode in der Ermittlungsarbeit aus, sondern führt auch zu scharfer Kritik aufgrund möglicher rassistischer Implikationen und der Gefahr der Diskriminierung. Während die Justizminister beider Bundesländer betonen, dass es um die Prävention von Verbrechen und den Schutz von Leben gehe, sehen Kritiker das Verfahren als ethnisierend und inakzeptabel.

Die Idee, mittels DNA-Tests die biogeografische Herkunft eines Täters zu ermitteln, scheint zunächst ein weiteres Ermittlungsinstrument in der Strafverfolgung zu sein. Tatsächlich erlaubt bereits eine Reihe europäischer Länder die Analyse von DNA, um Informationen über die geographische Herkunft von Verdächtigen zu gewinnen. Die Strategie soll insbesondere helfen, den Kreis potenzieller Täter bei schweren Verbrechen wie Sexualdelikten einzugrenzen und so gezielte Ermittlungsmaßnahmen zu ermöglichen. Doch die Einführung dieses Verfahrens in Deutschland stößt auf Widerstand, vor allem seitens von Rechtsexperten und Menschenrechtlern, die die Maßnahme als ethisch problematisch erachten.

Die von den Justizministern Marion Gentges aus Baden-Württemberg und Georg Eisenreich aus Bayern vorgebrachten Argumente zur Einführung dieser DNA-Analyse stützen sich auf die Idee, Ermittlern eine präzisere Eingrenzung des Täterkreises zu ermöglichen. „Unsere Ermittler brauchen gerade bei der Aufklärung schwerer Verbrechen alle zur Verfügung stehenden Instrumente“, erklärte Gentges. Eisenreich ergänzte, dass die Methode keinesfalls dazu dienen solle, jemanden aufgrund seiner ethnischen Herkunft oder Religion unter Verdacht zu stellen, sondern vielmehr darauf abziele, die Ermittlungen gezielt auf wahrscheinliche Tätergruppen zu fokussieren. In der Praxis würde dies dazu führen, dass durch die Herkunftsanalyse der Kreis an Verdächtigen verkleinert und die Ermittlungen effizienter geführt werden könnten. Diese Überlegung klingt auf den ersten Blick rational, doch wird sie von vielen als problematisch empfunden, weil sie unweigerlich mit einer Kriminalisierung ganzer Bevölkerungsgruppen verbunden werden könnte.

Gegner des Vorschlags, darunter der Geschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins (DAV), Lukas Theune, kritisieren, dass eine Herkunftsanalyse zu einer Stigmatisierung von Migrantengruppen führen würde. „Es sollte nicht der Einrichtung ethnisierender Datenbanken ohne ermittlungstaktischen Gewinn, aber mit potenzieller Prangerwirkung Vorschub geleistet werden“, warnte der Strafverteidiger Stefan Conen. Die Bedenken gehen in die Richtung, dass eine solche Maßnahme Vorurteile verstärken könnte, insbesondere gegenüber bestimmten ethnischen oder nationalen Gruppen, die in den Augen der Gesellschaft häufiger mit Straftaten assoziiert werden.

Dass diese Diskussion nicht neu ist, zeigt die ablehnende Haltung der damaligen SPD-Justizministerin Christine Lambrecht, die bereits 2019 einen ähnlichen Vorschlag zurückwies. Sie argumentierte, dass eine „biogeografische Herkunft“ keine relevanten ermittlungstaktischen Informationen liefern würde und die Einführung solcher Verfahren lediglich Diskriminierung und gesellschaftliche Spaltung fördern würde. Lambrecht warnte vor den „Prangerwirkungen“, die auf ganze Bevölkerungsgruppen wie Afrikaner oder Asiaten ausgeübt werden könnten, wenn Herkunftsmerkmale zur Tatbestandsanalyse herangezogen werden.

Die ethischen Bedenken zur Einführung der Herkunftsanalyse verknüpfen sich mit der Frage, ob solche Technologien tatsächlich im Sinne der Verbrechensprävention und der Menschenwürde eingesetzt werden können. Auf der einen Seite steht das legitime Interesse an einer effektiven Verbrechensbekämpfung, auf der anderen Seite die Gefahr, dass diese Instrumente rassistische Tendenzen fördern könnten. Es entsteht eine Zwickmühle, in der die öffentliche Sicherheit mit den Prinzipien der Gerechtigkeit und der Gleichbehandlung in Konflikt geraten könnte.

Unterstützer der Maßnahme, wie der rechtspolitische Sprecher der AfD im baden-württembergischen Landtag, Rüdiger Klos, werfen den Kritikern vor, eine „Realitätsverleugnung“ zu betreiben und den Fokus auf ideologische Argumente zu legen. Klos verweist auf die Polizeiliche Kriminalstatistik, die eine erhebliche Zahl von Sexualverbrechen dokumentiere, die von Tätern begangen wurden, die als Migranten oder Angehörige bestimmter Bevölkerungsgruppen identifiziert werden können. Er argumentiert, dass eine biogeografische Herkunftsanalyse dazu beitragen könnte, Tätergruppen effizienter zu ermitteln und sogar Generalverdächtigungen zu vermeiden, die den Ruf von ganzen Ethnien schädigen könnten.

Die Diskussion über den Einsatz von DNA-Analysen zur Ermittlung der Herkunft von Straftätern wirft grundlegende Fragen über den Umgang mit modernen Technologien in der Strafverfolgung und ihre potenziellen gesellschaftlichen Auswirkungen auf. In einer Zeit, in der der Datenschutz und die Rechte von Individuen immer wieder auf dem Prüfstand stehen, stellt sich die Frage, ob die Einführung solch invasiver Maßnahmen tatsächlich zu einer besseren Kriminalprävention führt oder ob sie nicht vielmehr das gesellschaftliche Vertrauen in den Rechtsstaat untergräbt.

Der Vorschlag, die biogeografische Herkunft in die Ermittlungen einzubeziehen, wird zweifellos noch weiter in den politischen und rechtlichen Debatten verhandelt werden. Dabei wird es nicht nur um die rechtliche Zulässigkeit, sondern auch um die Frage gehen, wie solche Maßnahmen mit den grundlegenden Prinzipien der Gleichbehandlung und der Antidiskriminierung in Einklang gebracht werden können. Klar bleibt nur, dass die Einführung dieser Technologie weitreichende Konsequenzen für den Umgang mit Ethnizität und Kriminalität in der Gesellschaft haben könnte.

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