Samstag, Juni 7, 2025

Infrastruktur im Wettlauf mit der Aufrüstung: Deutschlands Brücken als Achillesferse der militärischen Mobilität

by Moritz Hartmann

Deutschland investiert massiv in seine militärische Aufrüstung – 2024 fließen 77,6 Milliarden Euro in die Bundeswehr, was eine beachtliche Steigerung von 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr darstellt. Angesichts wachsender globaler Spannungen und der zunehmenden Rhetorik rund um geopolitische Konflikte ist dieser Anstieg nicht überraschend. Doch während die Bundesrepublik aufrüstet und in den globalen Ranglisten der Militärausgaben vorankommt, gibt es eine eklatante Schwachstelle, die den deutschen Sicherheitsapparat in einem ernsthaften Testfall empfindlich schwächen könnte: die marode Brückeninfrastruktur.

Laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI liegt Deutschland bei den weltweiten Militärausgaben 2024 auf dem vierten Platz, nur hinter den USA, China und Russland. In einem Jahr, das von geopolitischen Unsicherheiten geprägt ist, erscheinen die steigenden Ausgaben fast als notwendige Reaktion auf die verschärften internationalen Spannungen. Doch während Deutschland aufgerüstet wird, bleibt ein Teil der Infrastruktur weit hinter den Bedürfnissen einer modernen Armee zurück – und das betrifft vor allem die Straßen- und Brückenbauwerke des Landes.

Das Problem: Brücken in katastrophalem Zustand

Ein fast vergessener, jedoch entscheidender Aspekt wird durch die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) in Deutschland in den Fokus gerückt: der Gleichschritt auf Brücken. Dieser verbietet geschlossenen Verbänden – seien es Schulgruppen oder Militärkonvois – das Marschieren im Gleichschritt auf Brücken. Der Grund liegt in der Gefahr von „Resonanzkatastrophen“: Wenn gleichförmige Bewegungen (wie der Gleichschritt einer Gruppe) mit den natürlichen Schwingungen einer Brücke übereinstimmen, können die Schwingungsamplituden so stark werden, dass die Brücke ihre Tragfähigkeit überschreitet und im schlimmsten Fall einstürzt.

Doch diese Regelung, die in Zeiten eines Friedensstaates als Sicherheitsmaßnahme gegen unverhältnismäßige Erschütterungen dient, beleuchtet ein größeres Problem. Die Brückeninfrastruktur in Deutschland ist vielerorts in einem desolaten Zustand. Laut Berichten des Deutschen Instituts für Normung (DIN) und anderer unabhängiger Institutionen sind über 30 Prozent der Brücken des Landes in einem kritischen baulichen Zustand. Schon ohne die zusätzliche Belastung durch die gleichzeitigen Schritte eines Marschverbandes drohen zahlreiche Brücken unter normalen Bedingungen zu versagen – ein Zustand, der bei einer möglichen Mobilisierung von Truppen oder militärischen Fahrzeugen fatale Folgen haben könnte.

Die Folgen für die militärische Mobilität

Das Szenario einer plötzlich aufgestockten militärischen Präsenz und der raschen Bewegung großer Einheiten ist durchaus denkbar. Sollte es zu einem Ernstfall kommen, in dem schnelle Verlegungen notwendig werden, könnte die bestehende Infrastruktur Deutschlands den Anforderungen schlicht nicht gerecht werden. Hier kollidiert der beeindruckende wirtschaftliche Investitionsschub in die militärische Stärke mit einer gravierenden Schwachstelle, die unter der Oberfläche vieler Diskussionen um Rüstungsfragen oft unbeachtet bleibt. Was nützt es, ein Heer mit modernster Technik und Ausstattung auszurüsten, wenn die grundlegende Infrastruktur, auf die es angewiesen ist, eine potenzielle Gefahr für die Durchführung von Operationen darstellt?

In einem Land, das in der Vergangenheit seine Verteidigungsstrategie oftmals auf eine Kombination aus militärischer Stärke und internationaler Zusammenarbeit setzte, ist es fatal, dass die eigene Infrastruktur in einem derart desolaten Zustand verharrt. In einer Zeit, in der militärische Geschwindigkeit und die Fähigkeit, große Truppenverbände schnell zu bewegen, von entscheidender Bedeutung sind, stellen marode Brücken ein echtes Sicherheitsrisiko dar.

Politische Verantwortung und wirtschaftliche Prioritäten

Diese Problematik offenbart nicht nur eine infrastrukturelle Lücke, sondern auch eine politisch bedingte Verzögerung. Jahrzehntelang wurde die Instandhaltung und Modernisierung der Brückeninfrastruktur vernachlässigt, während gleichzeitig immer mehr Geld in die Bundeswehr und in Rüstungsprojekte fließt. Es ist ein Symptom einer politischen Priorisierung, bei der sicherheitspolitische Maßnahmen und internationale Prestigegewinnung in den Vordergrund gestellt werden, während die grundlegenden Bedürfnisse der nationalen Infrastruktur in den Hintergrund geraten.

Die Dringlichkeit, sowohl in die militärische Aufrüstung als auch in die Infrastruktur zu investieren, wird immer deutlicher. Während Deutschland versucht, sich als verlässlicher Akteur in der internationalen Sicherheitspolitik zu positionieren, droht es, durch die Vernachlässigung der eigenen Hausaufgaben – und insbesondere der Brücken, die den Weg für seine militärische Mobilität bereiten – in den Abgrund zu stürzen.

Einblick in die Versäumnisse der Vergangenheit und der Weg nach vorn

Die aktuellen Herausforderungen stellen eine klare Aufforderung dar, die Balance zwischen Aufrüstung und Infrastrukturpflege zu finden. Deutschlands Fähigkeit, seine militärische Stärke tatsächlich zu mobilisieren, steht auf dem Spiel – eine Situation, die umso bedrohlicher erscheint, wenn man bedenkt, dass der Zustand der Brücken oft noch als unbedeutendes Detail angesehen wird. In einer Zeit, in der geopolitische Spannungen zunehmen, müssen die politischen Entscheidungsträger endlich die Infrastruktur als integralen Bestandteil der nationalen Sicherheitsstrategie begreifen und dementsprechend handeln.

Es bleibt zu hoffen, dass die Politik nicht nur die nächsten Milliarden in neue Waffensysteme investiert, sondern auch eine nachhaltige Lösung für die strukturellen Defizite der Brückeninfrastruktur findet. Denn im Ernstfall könnte die Nation nicht nur auf militärische Mittel, sondern auch auf die Brücken angewiesen sein, die sie über das Land führen. Und im Moment sind diese nicht kriegstüchtig.

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